Rohstoffwirtschaft lehnt die vom VDI vorgelegte Richtlinie zur frühen Bürgerbeteiligung ab
Branchenvertreter kritisieren die in der Richtlinie vollzogene Gleichmacherei mit der öffentlichen Hand. Die Steine- und Erdenindustrie plädiert für Vorgaben, die an die Privatwirtschaft angepasst sind und die Leistungsfähigkeit kleiner und mittelständischer Betriebe berücksichtigen.
Auf der heutigen Veranstaltung „Industrie- und Infrastrukturprojekte im Konsens realisieren“, die vom Verein Deutscher Ingenieure Baden-Württemberg (VDI) in Stuttgart initiiert wurde, bezogen Vertreter der Steine- und Erdenindustrie kritisch Stellung. Ihrer Ansicht nach schießt das geplante Landesumweltverwaltungsgesetz und der Entwurf der VDI-Richtlinie 7000, in dem auch privatwirtschaftlichen Unternehmen Vorgaben zur frühen Bürgerbeteiligung gemacht werden, über das Ziel hinaus.
„Solange der Begriff Bürgerbeteiligung als Bürgerentscheidung verstanden wird, bleibt sie eine Illusion“, machte Peter Leifgen auf der Veranstaltung unmissverständlich klar.“ Aus Sicht eines Steinbruchbetreibers werde mit einem Umweltverwaltungsgesetz und der VDI-Richtlinie mit Kanonen auf Spatzen geschossen. „Unser klares JA zur Bürgerbeteiligung sollte im Einklang mit den gesetzlich vorgeschriebenen Schritten eines Planungs- und Genehmigungsverfahrens stehen“, so Leifgen. „Die neutralen Gutachten, die dabei von Sachverständigen erstellt werden, liefern wichtige Ergebnisse, die eine sachliche Bürgerbeteiligung ermöglichen, die dann auch zu einer konsensfähigen Lösung führen kann.“
Die Branchenvertreter betonten, dass Betreiber von Steinbrüchen, Kies- und Sandgruben einen Anspruch auf die Genehmigung von Neueröffnungen und Erweiterungen von Lagerstätten haben, wenn die rechtlichen und fachlichen Vorgaben eingehalten werden. „Privatwirtschaft und öffentliche Hand können nicht über einen Kamm geschert werden“, so Thomas Beißwenger. „Ansonsten höhlt die Politik ihre eigenen gesetzlichen Vorgaben aus und beraubt Unternehmen ihrer Planungs- und Investitionssicherheit.“ Der Hauptgeschäftsführer des Industrieverbandes Steine und Erden Baden-Württemberg e.V. (ISTE) stellte klar, dass die Branche für eine umfassende Öffentlichkeitsbeteiligung offen sei. „Die Gesellschaft ist kritischer geworden“, sagte Beißwenger. „Bürger hinterfragen den Sinn von öffentlichen und privatwirtschaftlichen Projekten und sind weniger bereit, Eingriffe in die Natur einfach hinzunehmen.“ Gerade deshalb zeigen die in der Steine- und Erdenbranche vertretenen Unternehmen ein hohes Interesse daran Transparenz zu schaffen und Bürger einzubinden.
Viele Firmen stehen durch Aktions- und Informationstage sowie ihr ehrenamtliches Engagement vor Ort in regelmäßigem Kontakt mit Bürgern, Verwaltung und Politik und kommunizieren Vorhaben angemessen und lösungsorientiert. Beispielsweise hat Peter Leifgen beim letzten Genehmigungsverfahren durch eine Anregung des Schwarzwaldvereins eine geeignetere Lösung für einen zu verlegenden Wanderweg finden können. Ob in einem formellen Beteiligungsverfahren solch konstruktive Lösungen ausgetüftelt werden können, ist hingegen fraglich. Die geplante VDI-Richtlinie 7000 zur frühen Öffentlichkeitsbeteiligung kann aus Sicht der Steine- und Er-denindustrie nur für Großvorhaben wie dem Neubau von Kraftwerken oder Flughäfen angemessen sein. Viele Regelungen zur operativen Umsetzung sind insbesondere für kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) der Rohstoffwirtschaft nicht zielführend und schlichtweg nicht leistbar.
„Weder die in der VDI-Richtlinie genannten Kriterien zur vorläufigen Einschätzung der öffentlichen Relevanz von Projekten, noch die angeführten Akteurs- oder Themenanalysen bringen die KMU weiter“, so Thomas Beißwenger. „Die Praxis hat gezeigt, dass flexible, auf die Bedürfnisse der Bürger angepasste Beteiligungsverfahren effektiv sind und allen Beteiligten Handlungs- und Gestaltungsspielräume eröffnen, die zu erfolgreichen Kompromissen und Lösungen führen.“
Die Steine- und Erdenindustrie richtete deshalb ihren Appell an die Landesregierung, von verbindlichen Vorgaben für die Öffentlichkeitsbeteiligung über das bisherige gesetzliche Maß hinaus abzusehen und dem Unternehmer die Chance zu lassen, sein Vorhaben bestmöglich, entsprechend der örtlichen Gepflogenheiten zu kommunizieren und Anregungen im Sinne des Vorhabens aufzunehmen. ISTE-Hauptgeschäftsführer Thomas Beißwenger, wies damit die von Staatsrätin Gisela Erler (Grüne) in einem Interview gemachten Äußerungen zurück, dass Unternehmen Bürgerbeteiligungen eigenverantwortlich organisieren und die Behörden dann prüfen sollen, ob vielleicht gewichtige Argumente unter den Tisch gefallen sind. „Genehmigungsbehörden dürfen sich nicht aus ihrer Pflicht verabschieden, sachgerechte Entscheidungen zugunsten der der Unternehmen zu treffen, auch wenn diese nicht im Sinne des betroffenen Bürgers sind“, sagte Beißwenger. „Das würde die Bürgerbeteiligung und alle in sie getätigten zeitlichen und finanziellen Investitionen aus unternehmerischer Sicht ad absurdum führen.“
Damit werden weder Verbesserungen erzielt, noch das gegenseitige Verständnis zwischen Unternehmen und Bürgern gefördert, wie die Branchenvertreter deutlich machten. Ihrer Ansicht nach muss die Landesregierung, wenn sie schon das hohe Lied auf die Öffentlichkeitsbeteiligung anstimmt, dem Bürger auch erklären, dass Mitgestaltung im privatwirtschaftlichen Kontext nicht gleich Mitentscheidung ist. Die Steine- und Erdenbranche forderte die Landesregierung auf, diesbezüglich ihre Hausaufgaben zu machen und Aufklärungsarbeit zu leisten, denn wenn sich am Ende beim Bürger Ernüchterung breit macht, würde er mit dem Finger auf die Unternehmen und nicht auf die Politik zeigen, die es versäumt hat in diesem Punkt Transparenz zu schaffen.
An den VDI richtete Beißwenger die Bitte, dass die Richtlinie als Leitfaden zu verstehen ist und es nicht zur Anwendungspflicht durch die Behörden kommen dürfe. Aus seiner Sicht, ist die Richtlinie entbehrlich, da bereits der Planungsleitfaden der Landesregierung als Werkzeugkasten für Instrumente im Rahmen der Bürgerbeteiligung zur Verfügung steht. Selbst für Großvorhaben, und erst recht für ortsgebundene Vorhaben zur Standortsicherung, müsse der Leitfaden verschlankt werden, so dass die Verhältnismäßigkeit gewahrt bleibe.
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