Ärzte gegen Tierversuche nutzt Berliner Verbandsklagerecht
LAGeSo hätte Tierversuch mit mehreren Hundert Mäusen nicht genehmigen dürfen
Ärzte gegen Tierversuche hat als einer von insgesamt sieben verbandsklageberechtigten Verbänden die Möglichkeit, Informationen zu in Berlin genehmigten Tierversuchen einzusehen, in Stellungnahmen Kritik an den erfolgten Genehmigungen zu äußern und vor Gericht die Interessen der sogenannten Versuchstiere zu vertreten. Der Verein weist nun in einer ersten Stellungnahme auf gravierende Mängel in der Genehmigungspraxis hin.
Das Berliner Tierschutzverbandsklagegesetz erlaubt sieben klageberechtigten Verbänden, die sogenannten Nichttechnischen Projektzusammenfassungen für vom Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGeSo) Berlin genehmigte Tierversuche einzusehen. Dies ermöglicht es, Missstände in der Genehmigungspraxis nicht nur aufzudecken, sondern nötigenfalls auch vor Gericht dagegen zu klagen und somit das LAGeSo – ebenso wie die antragstellenden Forscher – mit Nachdruck an ihre Verpflichtung zu erinnern, die Vorgaben des Tierschutzgesetzes einzuhalten.
Ärzte gegen Tierversuche hat nun von diesem Recht Gebrauch gemacht und eine erste Stellungnahme an das LAGeSo geschickt. In den Versuchen, welche der Stellungnahme zugrunde liegen, wird bei Mäusen künstlich ein Tumor hervorgerufen und die Tiere werden einer experimentellen Krebstherapie unterzogen. Ärzte gegen Tierversuche geht davon aus, dass die Mäuse dabei nicht nur unter den direkten Folgen des induzierten Tumors, sondern auch an Metastasen erheblich leiden. Mehrere Hundert Mäuse sollen dafür verwendet werden.
Laut Tierschutzgesetz ist zu prüfen, ob der verfolgte Zweck auch ohne Tierversuche erreicht werden kann. „Hier hätte eine einfache Suche in unserer NAT Datenbank (1), in welcher tierversuchsfreie Methoden übersichtlich zusammengefasst sind, gleich mehrere Methoden aufgezeigt, für die kein Tier hätte leiden müssen“, sagt Dr. Johanna Walter, wissenschaftliche Mitarbeiterin von Ärzte gegen Tierversuche. So lässt sich die Effektivität der experimentellen Krebstherapie mit humanen Tumor-Organoiden und mittels mikrofluidischer Chipsysteme untersuchen. Beispielsweise können Tumor-Organoide in einer dreidimensionalen Matrix kultiviert werden, in der sich feine, mit Blutgefäßzellen ausgekleidete Kanäle befinden. Wirkstoffe, die die Tumor-Organoide bekämpfen sollen, können in diese nachgebildeten Blutgefäße gegeben werden, sodass das System eine Simulation der Injektion in die Blutbahn ermöglicht. (2) „Gerade in der Krebsforschung ist die Übertragbarkeit der in qualvollen Tierversuchen gewonnenen Erkenntnisse auf den Menschen besonders zweifelhaft. Die Versagensquote von Medikamenten liegt in diesem Bereich mit über 96% noch höher als der Durchschnitt von je nach Studie 90-95%“, so Walter weiter. (3)
„Somit sind die vom LAGeSo genehmigten Tierversuche aufgrund der verfügbaren tierfreien Methoden nicht nur nicht nötig, sondern aufgrund der fehlenden Übertragbarkeit auch nicht zielführend“, erläutert Walter. Zudem sei der Schweregrad der Tierversuche, bei dem die Mäuse unter dem Tumor und wahrscheinlich auch unter Metastasenbildung leiden, von den Antragstellern zu gering angegeben worden. Diese Fehler bei der Genehmigung des Tierversuchsvorhabens hat Ärzte gegen Tierversuche dem LAGeSo in einer Stellungnahme nun ausführlich dargelegt.
Das Verbandsklagerecht gibt dem Verein die Möglichkeit, Einblick in die oftmals viel zu lasche Genehmigungspraxis zu nehmen und sowohl die Antragsteller, also die Experimentatoren, die die Versuche durchführen, als auch die Genehmigungsbehörde auf ihre Versäumnisse hinzuweisen. So sollten die Antragsteller bereits vor der Beantragung von Tierversuchen nach geeigneten tierversuchsfreien Methoden recherchieren und die Genehmigungsbehörden bei Vorhandensein solcher Methoden den Antrag auf Tierversuche ablehnen sowie den vom Experimentator angegebenen Schweregrad unabhängig überprüfen. Im vorliegenden Fall ist dies offenbar nicht geschehen. „Somit haben nun wir die Recherchearbeit erledigt. Das LAGeSo ist verpflichtet, Tierversuchsanträge sorgfältig zu prüfen und die Antragsteller dazu zu bringen, bereits im Vorfeld zur Antragstellung gründlich zu recherchieren. Mit unserer NAT Datenbank wäre dies schnell und einfach möglich gewesen“, erklärt Walter.
Im Anschluss an die Stellungnahme behält sich Ärzte gegen Tierversuche vor, Klage zur Feststellung der Rechtswidrigkeit der Genehmigung der fraglichen Tierversuche zu erheben.
Quellen:
(2) Ayuso JM et al.: Evaluating natural killer cell cytotoxicity against solid tumors using a microfluidic model. Oncoimmunology 2019; 8(3):e1553477
(3) Wong CH et al.: Estimation of clinical trial success rates and related parameters. Biostatistics 2019; 20(2):273–286
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